Die Wirkung von Kommunikation ist ausgesprochen individuell.
Alter Spruch: Sage etwas zu zehn Leuten und du hast zwölf Meinungen. Dazu
kommt, dass Individualität eine große Tradition in den westlichen Ländern hat.
Man möchte nicht nur individuell erscheinen, man möchte auch als Individuum
wahrgenommen werden. Das hat viel mit Verhalten und Kommunikation zu tun.
Kommunikation: Situation, Beziehung, Verfassung, Erfahrung
Sicher ist, dass Kommunikation, dass Botschaften, Präsentationen, Gespräche, Reden und vieles mehr bei keinem Menschen deckungsgleich dieselben Gedanken und Interpretationen auslösen. Jeder Mensch hat einen eigenen Erfahrungs- und damit Bedeutungshintergrund zu Worten, Sätzen und Botschaften. Gerät in diesen Zusammenhang und in eine individuell aktuelle Stimmungslage des Empfängers eine Sender-Botschaft, verschieben sich möglicherweise Inhalte und Beziehungsfaktoren zum Sender. Das geht so weit, dass Sie Botschaften nicht oder anders als gemeint wahrnehmen, weil diese in Ihrem Weltbild keinen Platz haben oder weil Sie sie nicht kennen, selbst wenn Sie vor Ihrer Nase sind. Oder einfach ausgedrückt: vieles kommt völlig anders an, als vom Sender gedacht. GMV.
What the Bleep...
Eine wissenschaftlich nicht bestätigte Geschichte ist die der Indianer, die am Horizont die Schiffe der ankommenden Portugiesen nicht sehen konnten. Sie hatten einfach keine Referenzbilder dafür und keine Erfahrungen damit. „Schwimmende Häuser“ waren nicht Bestandteil ihres Weltbildes. Sie nahmen nur sich anders kräuselnde Wellen wahr, konnten die großen Schiffe jedoch nicht aufnehmen. Erst als ein Schamane sie sehen konnte und darauf hinwies, konnten die anderen Indianer sie auch sehen. Die Geschichte stammt aus dem halb-esoterischen und laut dessen Autoren halb-wissenschaftlichen Film „What the Bleep do we know“ (frei übersetzt: Wir wissen, dass wir nichts wissen). Belegt ist sie nicht. Und sie wird bezweifelt. Nehmen Sie sie eher als eine fiktive Geschichte, um das uns allen bekannte Phänomen zu beschreiben, dass wir hin und wieder Dinge nicht wahrnehmen, obwohl sie da sind. Da gibt es Sachen – unglaublich.
Wahrnehmung: blinde Flecken
Alltagsphänomene, die Sie eventuell kennen, sind das
Nichtwahrnehmen eines Schlüsselbundes an der Stelle, an der Sie suchen. Minuten
später liegt er dann doch an dieser Stelle vor Ihrer Nase. Oder das Wahrnehmen einer Form oder eines Gegenstandes erst nachdem Sie erfahren haben, dass die
Form beispielsweise in einer Zeichnung vorhanden ist. Sie kennen das von den
Kippbildern (siehe Abbildung). Ein
anderes Phänomen ist das der Unaufmerksamkeitsblindheit.Wenn Sie sich auf etwas Spezielles konzentrieren, nehmen Sie die auffälligsten
und seltsamsten Dinge nicht wahr. Das liegt an der eingeschränkten
Arbeitskapazität des menschlichen Gehirns. Sie sehen sie einfach nicht.
Eindrucksvoll zeigen das die Psychologen Daniel Simons und Christopher Chabris von der Universität Illinois im berühmten
Gorilla-Experiment. Falls Sie es noch nicht
kennen und sich selbst testen möchten, gehen Sie auf YouTube und geben Gorilla
Experiment ein. Schauen Sie sich die Videos dazu an und
lassen Sie sich überraschen. Machen Sie das Experiment, bevor Sie weiterlesen,
denn jetzt kommt eine Erklärung dazu. Das ist einfach unglaublich.
Das Gorilla-Experiment
„Die Studie ‚Gorillas
in unserer Mitte‘ (...) zeigt, dass urbane Menschen selbst einen
vorbeigehenden Menschen im Gorillakostüm übersehen können. Aufbauend auf
klassischen Studien zur geteilten visuellen Aufmerksamkeit (...) untersuchten
Simons und Chabris in ihrem Gorilla-Experiment
das Phänomen der Unaufmerksamkeitsblindheit für komplexe Objekte und Ereignisse
in bewegten Szenen. Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass die Wahrscheinlichkeit,
ein unerwartetes Objekt zu bemerken, sowohl von der Ähnlichkeit dieses Objekts
mit den anderen präsentierten Objekten als auch von der Schwierigkeit der
ursprünglichen Beobachtungsaufgabe abhängt. (...)
Das Material für Simons’ und Chabris’ Experiment zum
Unaufmerksamkeitsblindheits-Phänomen sind vier Videos von jeweils 75 Sekunden
Dauer. Jeder Film zeigt zwei Teams mit je drei Spielern, eins trägt weiße, das
andere schwarze T-Shirts.
Die Mitglieder jedes Teams spielen sich einen normalen
orangefarbenen Basketball durch Werfen oder Dribbeln zu. Nach 44 bis 48
Sekunden ereignet sich etwas Unerwartetes: In der Regenschirmfrau-Version (Umbrella
Woman)
geht eine große Frau mit einem aufgespannten Regenschirm von links nach rechts
durch das Geschehen. In der Gorilla-Version läuft eine kleinere Frau, die
vollständig in ein Gorillakostüm gehüllt ist, auf die gleiche Weise durchs
Bild. Während dieser unerwarteten Ereignisse setzen die Basketballspieler ihre
Aktionen unbeirrt fort.
Bevor sie ein Video sehen, erhalten die Versuchspersonen
die Aufgabe, sich entweder auf das Team in Weiß oder das in Schwarz zu
konzentrieren und sämtliche Ballwechsel des beobachteten Teams im Kopf
mitzuzählen (Easy condition) bzw. die geworfenen und die gedribbelten
Ballwechsel getrennt zu zählen (Hard condition). Nachdem die Versuchspersonen
das Video gesehen und ihren Beobachtungsauftrag erfüllt hatten, wurden sie
gebeten, ihre Zahlen niederzuschreiben. Anschließend fragte man sie, ob ihnen
(a) während des Zählens etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, (b) ob sie noch
etwas anderes als die sechs Spieler bemerkt hätten, (c) ob jemand anders im
Video aufgetreten sei, schließlich: (d) Hast du einen Gorilla (eine Frau mit
Regenschirm) durch das Bild gehen sehen?
Letztendlich blieben für die
Auswertung 192 Versuchspersonen übrig, von denen, quer durch alle Versionen des
Films, 54 Prozent den ‚Zwischenfall‘ bemerkten und 46 Prozent nicht.“[i]
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